Über das Frauenwahlrecht und die heutige Bedeutung anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März
– von Johanna Streit –
Was ist Freiheit, und was bedeutet sie uns? Begreifen wir sie nur als die Abwesenheit von Furcht und von Zwängen, oder meint Freiheit nicht vielmehr auch, sich an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen, eine eigene politische Stimme zu haben, um von anderen gehört, erkannt und schließlich erinnert zu werden?
Dies sind Fragen, die nicht nur die politische Denkerin Hannah Arendt beschäftigten, sondern auch heute noch eine Rolle spielen. Anlässlich des internationalen Frauentags wollen wir einen Blick zurückwerfen und die Bedeutung der Freiheit, (als Frau) eine eigene politische Stimme zu haben, in der Gegenwart diskutieren.
Internationaler Frauentag – oder: Warum verdienen Frauen einen Eintrag im Kalender?
Der erste Internationale Feiertag fand am 19. März 1911 statt, und zwar zunächst in vier europäischen Ländern (Dänemark, Deutschland, Österreich, Schweiz) sowie in den USA. Der Kampf um Gleichberechtigung, die Forderung nach dem Frauenwahlrecht sowie die Benachteiligung von Arbeiterinnen waren damals zentrale Themen. Seit 1921 wird er jährlich am 8. März gefeiert. Warum sich das Datum vom 19. März auf den 8. März verschob, ist nicht gänzlich geklärt. Die Vereinten Nationen wählten den 8. März 1975 zum „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“. Schon seit über 100 Jahren setzen Frauen weltweit an diesem Tag also ein Zeichen für Gleichberechtigung und gegen die Diskriminierung von Frauen.
Frauenwahlrecht in Deutschland und anderswo: Ein hart umkämpftes Recht
Viele Jahrhunderte lang war es so, dass nur Männer wählen durften – die Stimme der Frauen wurde schlichtweg nicht gehört. Deshalb begannen Frauen weltweit Ende des 19. Jahrhunderts, ihre Stimme zu erheben und das Recht, wählen zu gehen, einzufordern.
Sie wollten als Bürgerinnen anerkannt werden und die gleichen Rechte wie ihre Ehemänner, Brüder, Väter zugestanden bekommen. Und vor allem wollten sie durch das Wahlrecht ihre politische Meinung äußern und somit zu gesellschaftlichen Prozessen Stellung beziehen. Kurzum: sie wollten mitbestimmen und auf praktische Veränderungen in ihrem Leben direkten Einfluss nehmen.
Seit wann dürfen Frauen wählen? In jedem Land war bzw. ist es anders:
- Neuseeland war das erste Land mit aktivem Frauenwahlrecht. Hier konnten Frauen bereits ab 1893 wählen.
- In Australien konnten Frauen ab 1902 wählen.
- In Groß-Britannien konnten Frauen ab 1918, in den USA ab 1919, in der Türkei ab 1934 und in Indien ab 1950 wählen.
- In der Schweiz wurde das Frauenwahlrecht (erst) 1971 eingeführt.
- In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden Frauen 2006 das Wahlrecht gewährt.
Doch wichtig ist auch: Welche Frauen erhielten das Wahlrecht?
Denn leider durften nicht immer sofort alle Frauen wählen gehen. Junge Frauen oder Frauen, die einer Minderheit angehörten, waren oftmals ausgeschlossen. In Australien zum Beispiel durften die australischen Aboriginals erst ab den späten 60er-Jahren wählen. Und in Groß-Britannien galt das Wahlrecht 1918 erstmal nur für Frauen über 30; ab 1928 wurde das Wahlalter dann auf 21 herabgesetzt und auch jüngere Frauen durften wählen.
Und in Deutschland?
In Deutschland erhielten Frauen ab 20 Jahren am 12. November 1918 das Wahlrecht. Im Jahr darauf, im Januar 1919, konnten Frauen dann erstmals von ihrem Recht Gebrauch machen. Bei der Wahl zur deutschen Nationalversammlung gaben mehr als 82% der wahlberechtigten Frauen ihre Stimme ab.
Bei dieser Wahl wurden zudem 37 Frauen als Abgeordnete in die Nationalversammlung gewählt. Von wie vielen fragt ihr euch? Es waren insgesamt 423 Abgeordnete – der Anteil der Frauen lag also bei 8,7%.
Politische Repräsentation und Mitbestimmung heute – geh(t) wählen!
Inzwischen hat sich der Frauenanteil in den deutschen Parlamenten zwar verbessert – im Bundestag liegt er aktuell bei 31,4% und im baden-württembergischen Landtag bei 26,6% -, doch von einer angemessenen Repräsentation sind wir noch weit entfernt. Schließlich machen Frauen ca. die Hälfte der Bevölkerung aus. Frau ist allerdings nicht gleich Frau: es ist eine vielfältige, gesellschaftliche Gruppe. Sie unterscheiden sich unter anderem im Hinblick auf Alter, sexuelle Orientierung, Herkunft, Religion und Weltanschauung. Diese Vielfalt ist – leider – in der Politik noch nicht sichtbar.
Übrigens: Den höchsten Frauenanteil findet man im nationalen Parlament von Ruanda, in Zentral-Ost-Afrika. Dort sind ca. 61% der Abgeordneten weiblich.
Natürlich muss jetzt nicht jede von euch Politikerin werden – doch der erste Schritt ist der Weg zur Wahlurne. Nur dadurch könnt ihr mitbestimmen, wer wie regiert und welche Themen auf die Agenda gesetzt bzw. nicht gesetzt werden. Das Wahlrecht ist keine Selbstverständlichkeit. Viele Generationen vor uns haben hart dafür gekämpft, haben Gewalt und Gefängnis dafür in Kauf genommen, wurden als Suffragetten beschimpft und gesellschaftlich ausgegrenzt. Nutzen wir also die Freiheit, eine eigene politische Stimme zu haben, aus Respekt vor den Frauen, die sie für uns erkämpft haben, und um die Gesellschaft mit unseren Ideen und Meinungen aktiv mitzugestalten.