Von Marie Provencal
„Die Zukunft ist offen. Sie hängt von uns ab – von uns allen.“
Karl Popper
In der Tat – und dass Zukunft immer von denen abhängt, die Teil von ihr sind, die sie gestalten und verändern wollen und die bereit sind dafür einzutreten, formt seit jeher unsere Geschichte. So auch die der Demokratie, die wir heute in Deutschland als gefestigt und gesichert ansehen können und die uns tagtäglich so selbstverständlich erscheint, dass man leicht vergessen kann, dass Demokratie nicht einfach ein Zustand ist, sondern dass sie aus uns allen besteht.
Demokratie, also begrifflich Herrschaft des Volkes, kann in verschiedenen Formen und Facetten auftreten, bei uns in Deutschland sind unter anderem folgende Merkmale zentral:
- Die Bundesrepublik ist eine parlamentarische Demokratie, d.h. die Regierung ist Teil des Parlaments (Bundestag).
- Deutschland folgt dem Prinzip der Gewaltenverschränkung. Das bedeutet gegenseitige Kontrolle von Legislative(gesetzgebende Gewalt, d.h. das Parlament), Exekutive (ausführende Gewalt, d.h. die Regierung) und Judikative(richterliche Gewalt).
- Die demokratisch freiheitliche Grundordnung ist durch das Grundgesetz gesichert: Alle Macht geht vom Volke aus – durch Wahlen und Abstimmungen.
- Alle Gesetzgebung muss sich an geltendes Recht halten und sich im Rahmen unserer Verfassung, dem Grundgesetz, bewegen (Rechtsstaatsprinzip).
Engagement
Mit Demokratiegeschichte lassen sich Bücher füllen, vom antiken Griechenland über die modernen Revolutionen, wie der Glorious Revolution 1688, der amerikanischen Revolution 1776 und der französischen Revolution 1789. Trotzdem wollen wir das einmal beiseitelassen und stattdessen einen kurzen Blick in unsere deutsche, demokratische Entstehungsgeschichte des letzten Jahrhunderts werfen. Denn die Bundesrepublik hat ein besonderes Verhältnis zu ihrer Demokratie, der Grund liegt in der Zeit des Nationalsozialismus. Schon an sich war die NS-Zeit mit Holocaust und allen anderen Gräueltaten das größte Menschheitsverbrechen der Geschichte. Aber es kommt hinzu, dass das NS-Regime aus einer jungen Demokratie, der gescheiterten Weimarer Republik, erwachsen konnte. Hitler hat nicht einfach „die Macht ergriffen“ – er wurde zuallererst einmal vom Volk gewählt. Ausgerufen wurde unsere erste parlamentarische Demokratie 1918 und beendete damit die monarchische Kaiserzeit. Aber die Weimarer Verfassung war zu schwach, ließ zu viele Lücken zur Aushöhlung der Demokratie (v.a. das Notverordnungsrecht Art.48) und hatte nicht genügend Unterstützer (‚Demokratie ohne Demokraten‘). So konnten die Nationalsozialisten ab 1933 das System unterwandern, abschaffen und durch eine Diktatur ersetzen.
Die Erarbeitung des Grundgesetzes nach dem zweiten Weltkrieg fand demnach im Lichte besonderer Verantwortung statt, die Verfassung so festzuschreiben, dass so etwas nie wieder möglich werden kann.
Wie steht es heute um die Demokratie?
Das kommt ganz darauf an, wohin wir schauen. Betrachtet man aber die Situation von Freiheit und Demokratie in der Welt, sieht es eher schlecht aus und auch der Trend geht in eine negative Richtung. Demokratie und Freiheit lässt sich messen und einstufen, so z.B. nach der Klassifizierung von Freedom House, die jedes Jahr alle Länder nach bestimmten Kriterien bewerten.
Im Jahr 2020 wurden nur 10 von 29 Ländern als gefestigte Demokratie eingestuft, Tendenz sinkend. Darüber hinaus war es das fünfzehnte Jahr in Folge, in dem die globale Freiheit der Menschen abgenommen hat. Das ist sowohl erschreckend als auch alarmierend – und sollte uns umso mehr verdeutlichen, dass wir in Europa auf einer Insel der demokratischen Freiheit sitzen, die sich nicht von alleine halten wird. Auch vor unserer Haustür sehen wir die Demokratie gefährdet, aktuell insbesondere durch rechtspopulistische Strömungen. Sei es die AfD in Deutschland, die PiS Partei in Polen, die Fidesz-Partei in Ungarn oder auch der rechte Front National in Frankreich – all diese Parteien bedrohen unsere gesellschaftliche Grundordnung und sie erhalten erschreckend viel Zuspruch.
Die positive Nachricht ist, dass wir nicht machtlos sind und dass wir Entwicklung und Veränderung in der Hand haben. Es sollte uns aber umso klarer werden, dass Demokratie wirklich bedeutet, sich einzubringen und mitzumachen. Teilhabe ist nicht nur im Großen wichtig, es ist nicht erst bedeutsam, wenn man als Abgeordnete:r in einem Parlament sitzt. Teilhabe setzt im Kleinen an, sie beginnt in der Schule, im eigenen Sportverein, im Gemeinderat bei uns vor Ort.
Ist Demokratie einmal gefestigt und erreicht, haben wir viele Mittel sie zu gestalten. Entgleitet sie uns aber und entwickelt sich zu einem autoritärem, oder sogar totalitärem Regime, sind Bevölkerungen oft machtlos gegenüber der Staatsmacht. Wie schwer es ist sich daraus zu befreien, sehen wir in Ländern wie Belarus, der Türkei oder Brasilien. Seien wir uns also unserer Verantwortung für uns selbst bewusst, bringen wir uns ein und gestalten wir die Zukunft so, wie wir sie für richtig halten.