Jugendarbeit in Zeiten von Corona
Seit einem Jahr ist unsere Welt einmal durch Corona durchgeschüttelt worden. Nach dem anfänglichen Schock und der ersten Welle der Solidarität wird uns klar – das geht so schnell nicht weg. So haben wir uns alle aufgemacht und sind kreativ geworden. Wir haben neue Formate ausprobiert und wieder verworfen. Wir haben die Politik angemahnt für konkrete Regelungen und haben eine neue Flexibilität gelernt. Und doch scheint alles so kompliziert und schwierig. Wir möchten Euch Mut machen und zeigen, Jugendbeteiligung geht – auch in Pandemiezeiten. Aber vor der Beteiligung steht vor allem die Erreichbarkeit und die ist gar nicht so schwierig:
Was stimmt uns so zuversichtlich?
In der Jugendarbeit bringen wir im Vergleich zu vielen anderen sozialen Angeboten gute Voraussetzungen mit:
- Unsere Zielgruppe ist internetaffin und lässt sich gerne auf Neues ein.
- Jugendarbeit ist in der Regel mit wenigen Hierarchien organisiert, so dass sich Vieles ausprobieren und gestalten lässt.
- Es gibt bei vielen bereits etablierte Kommunikationswege über Chatgruppen und bekannte Internetplattformen, die jetzt Goldwert sind.
- Jugendarbeit ist kreativ, dynamisch und weiß mit schwierigen Situationen umzugehen.
Wenn wir es aus dieser Warte betrachten, sieht es doch gar nicht so schlecht aus:
Die größte Sorge: Onlinemüdigkeit!
Ja, Jugendliche sind nach Homeschooling und Dauerfreundschaftschat onlinemüde. Aber lasst euch dadurch nicht demotivieren. Wir alle haben Erfahrungen gemacht mit Formaten, die nicht so gut angenommen wurden und wir begründen es mit der Onlinemüdigkeit. Aber stimmt das? Wenn man es mal genauer betrachtet: Jugendliche waren schon immer stundenlang online – sie haben nur keine Lust, wieder Schule online zu erleben, d.h. unsere Angebote stehen mehr denn je in Konkurrenz zu Influencer:innen, Minecraft & Co. Die Kunst muss also darin liegen, ein Angebot zu schaffen, das die Neugierde weckt, und es so attraktiv zu machen, dass die Jugendlichen ihre Onlinezeit mit uns teilen möchten. Das floppt bestimmt ein paar Mal, aber irgendwann findet ihr das Format, das klappt. Es gibt viele gelungene Beispiele aus der Region: ein Podcast mit Jugendlichen zu Themen, die Jugendliche gerade beschäftigen – z.B. wie man mit der Lockdown-Situation umgehen und sich motivieren kann. Vielleicht ist es aber auch der Promi-Spaziergang, den ihr streamt; das gemeinsame Erarbeiten von einer Kampagne oder ein gemeinsamer Spieleabend mit AmongUs. Wir haben als SKJR ein paar Spiele ausprobiert und fassen diese gerade für euch zusammen. Also: stay tuned bis zum nächsten Blog.
Aber wie hält man denn nur den Kontakt?
Wer bereits etablierte Chatgruppen aus der Vor-Corona-Zeit hat, hat es jetzt definitiv leichter. Denn die Kommunikation verlagert sich einfach stärker auf die bereits genutzten Kommunikationswege. Damit lassen sich die bestehenden Kontakte pflegen und aktivieren. Neue Jugendliche zu erreichen, ist in diesen Zeiten dagegen sehr schwer. Zwei Möglichkeiten stehen dabei zur Verfügung:
- Erstens, ihr arbeitet mit Multiplikator:innen zusammen, die ihre Netzwerke einbringen können, z.B. Jugendleitungen, Lehrer:innen oder Schulsozialarbeit. Auch sie freuen sich über spannende Angebote, auf die sie “ihre” Jugendlichen aufmerksam machen können. Die Erfahrung machen wir gerade selbst mit unserem digitalen Wahllokal zur U18-Landtagswahl. Gerade Online-Treffpunkte über Zoom, Webex, Big Blue Button, Microsoft Teams, Go-to-Meeting und Jitsi eignen sich mit ein bisschen Übung immer besser, um ein Stück Socialising und Partizipation zu leben. Die Investition in eine der Plattformen, um sich online zu treffen, lohnt sich auf jeden Fall. Denn Online-Treffpunkte und -Angebote werden uns sicherlich auch nach Corona in manchen Bereichen weiter erhalten bleiben.
- Oder zweitens ihr steigt ein in das Social Media Marketing. Bekannte Internetplattformen wie TikTok, Instagram, Discord, Youtube und Whatsapp sind kostenlos, haben große Reichweiten und sind anwenderfreundlich. Es lohnt sich, sich damit intensiv zu beschäftigen, auch mal Geld in die Hand zu nehmen und Angebote mit Werbebudgets zu stützen. Auch Podcasts sind aktuell auch bei Jugendlichen immer beliebter und weniger produktionsaufwändig wie ein Video.
Aber das geht nicht wegen dem Datenschutz!
Ja, Datenschutz ist ein Problem, mit dem man sich auseinandersetzen und Lösungen finden muss. Das Problem dabei: Die meisten Plattformen liegen in US-amerikanischen Händen und Daten werden dort abgelegt. Das macht es für Aktive sehr schwierig bis unmöglich rechtlich einwandfrei auf diesen Plattformen zu agieren. Da facebook, Instagram und Whatsapp alle beim selben Konzern angesiedelt sind, ist ein Verbot der Nutzung von einer der Plattformen und die Erlaubnis einer anderen widersprüchlich. Für Whatsapp gibt es mittlerweile auch gute Alternativen: Signal ist DSGVO-konform und bietet fast alle Funktionen, die auch Whatsapp hat. Sie wurde vom Erfinder von Whatsapp entwickelt. Nur leider ist sie bei Jugendlichen fast gar nicht verbreitet. Die Plattform Telegram hat ein großes Radikalisierungspotential in allen Richtungen; also aus unserer Sicht nicht empfehlenswert. Auch Tiktok ist extrem umstritten bzgl. des Datenschutzes und wir alle sehen mit großer Sorge die steigenden Zahlen Jugendlicher, die sich hier tummeln. Am Ende könnt ihr versuchen DSGVO-konforme Plattformen einzuführen, aber dazu müssen sich die Jugendlichen dort auch mehrheitlich digital aufhalten – sonst klappt es nicht. Wenn Ihr dazu erfolgreiche Ansätze gefunden habt, dann teilt sie mit uns.
Und wer hilft mir dabei?
Lasst den Kopf nicht hängen: Jugendarbeit hat besondere Vorteile. Euch spielen die kurzen Wege in die Hände. Ihr müsst nicht viele Hierarchiestufen mit Anträgen erklimmen, um ein neues Format oder einen neuen Ansatz auszuprobieren. Ihr könnt viel eigenständig umsetzen und ihr seid richtig nah dran an der Zielgruppe. Nehmt in den Kreativprozess zwei bis drei Jugendliche mit und gestaltet das Vorhaben gemeinsam. So wird euer Projekt auch zu ihrem Projekt und gleichzeitig ist es partizipativ und zielgruppengenau in Gestaltung, Funktion und Wording. Wir sind davon überzeugt, dass es funktioniert, weil es viele tolle Beispiele der letzten Monate gibt, die funktioniert haben: Podcasts, Kampagnen, Virtuelle Wahllokale, Onlinetreffs, Spieleabende, Rätsel- und Mitmachangebote. Es ist machbar. Es braucht nur etwas Übung und ein neues Denken.
Das schaffst du!
Als Tätige in der Jugendarbeit kennen wir schwierige Situationen: wir wissen, wie wir mit wenigen Ressourcen etwas Geniales schaffen können, wie wir mit jeder Art von Zielgruppe ins Gespräch kommen können und wir wissen, wie man zuhört – und das kann man auch online.